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Medienmitteilung des Thurgauer Obergerichts

Freispruch für Jugendliche vom Vorwurf der Verursachung des Brandes in Egnach

Im März 2018 kam es in Egnach auf dem Areal eines Obsthandelsbetriebs zu einem Grossbrand. Das Obergericht sprach nun drei Jugendliche vom Vorwurf der fahrlässigen Verursachung einer Feuersbrunst frei. Gegen einen vierten Jugendlichen hatte die Jugendanwaltschaft das Strafverfahren eingestellt.

Am besagten Abend hielten sich vier Jugendliche, damals im Alter zwischen 14 und 16 Jahren, auf dem Betriebsareal in einer aus Kunststoffpaloxen (Paletten mit Seitenwänden) errichteten "Hütte" auf. Dort wurden zwei Kerzen angezündet. Beim Verlassen des Stapels liessen die Jugendlichen die beiden Kerzen brennen. Es entstand ein Brand mit einem hohen Sachschaden.

Die Jugendanwaltschaft stellte das Strafverfahren gegen einen Jugendlichen ein und bestrafte die anderen drei mit Strafbefehlen wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst mit einer Erziehungsstrafe. Gegen diese Strafbefehle erhoben die Jugendlichen Einsprache, worauf das Bezirksgericht Arbon sie wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst zu einer zu vollziehenden persönlichen Arbeitsleistung zugunsten des Gemeinwesens verurteilte. Das Bezirksgericht hielt die brennenden Kerzen erwiesenermassen für die Brandursache. Alle drei Jugendlichen hätten gemeinsam gehandelt und seien daher auch gemeinsam dafür verantwortlich, dass die Kerzen beim Verlassen des Palettenstapels nicht gelöscht worden seien.

Die Jugendlichen erhoben Berufung beim Obergericht. Dieses sprach sie jetzt frei. Es erwog, nicht das Entfachen der Kerzen könne als sorgfaltswidrig in einem strafrechtlichen Sinn bezeichnet werden. Strafrechtlich allenfalls vorwerfbar und potenziell pflichtwidrig sei vielmehr gewesen, dass die Jugendlichen die brennenden Kerzen stehen gelassen und sich entfernt hätten. Der Strafbarkeitsvorwurf bei einem Unterlassungsdelikt setze auch im Kontext einer "fahrlässigen Mittäterschaft" eine Pflicht zum aktiven Handeln voraus.

Ein Jugendlicher habe zugegeben, eine der zwei Kerzen angezündet zu haben. Aus der von ihm geschaffenen Gefahr leite sich eine Handlungspflicht ab. Der allgemeine Gefahrensatz habe ihn verpflichtet, die geschaffene Brandgefahr unter Kontrolle zu halten. Allerdings sei nicht bewiesen, dass tatsächlich diese Kerze den Grossbrand ausgelöst habe. Auch wenn er "seine" Kerze ausgelöscht hätte, hätte die zweite (noch brennende) Kerze mit der gleichen Wahrscheinlichkeit den Brand auslösen können. Das Löschen "seiner" Kerze hätte folglich den Eintritt des Erfolgs - das heisst des Brandes - nicht höchstwahrscheinlich verhindert. Wer von den Jugendlichen die zweite Kerze angezündet habe, habe nicht geklärt werden können. In tatsächlicher Hinsicht sei deshalb zugunsten der beiden anderen davon auszugehen, dass sie selbst keine der Kerzen angezündet hätten. Sie seien deshalb nicht verpflichtet gewesen, die Kerzen zu beaufsichtigen und beim Verlassen zu löschen. Selbst wenn es einen gemeinsamen Entschluss gegeben hätte, es zu unterlassen, die brennenden Kerzen zu löschen, wäre daraus beziehungsweise aus ihrer Zustimmung dazu keine Verpflichtung für die beiden anderen entstanden, die nicht von ihnen angezündeten Kerzen zu löschen. Im Ergebnis seien die drei somit nicht strafbar. Der eine sei zwar verpflichtet gewesen, die von ihm angezündete Kerze auszulöschen, doch sei die hypothetische Kausalität zwischen diesem Unterlassen und dem Erfolg nicht gegeben. Bei den anderen beiden scheitere der Strafbarkeitsvorwurf daran, dass ihnen nicht nachgewiesen werden könne, eine der Kerzen selbst entfacht zu haben. Damit fehle es an den tatsächlichen Grundlagen für die Annahme einer Handlungspflicht. Die Aussagen der Jugendlichen zeigten ferner auf, dass dem unterlassenen Löschen der Kerzen kein gemeinsamer Entschluss vorausgegangen sei.

Zu keinem anderen Ergebnis führe die Annahme einer aktiven Tatbegehung. Erstellt sei lediglich das gemeinsame Zusammenwirken bei der Schaffung einer (abstrakten) Gefahr, hier das Anzünden der Kerzen. Ein weitergehender gemeinsamer Entschluss sei dagegen nicht bewiesen. Schliesslich könne von einer pflichtwidrigen Unvorsicht oder Unsorgfalt nur die Rede sein, wenn der Erfolgseintritt für die Täter überhaupt vorhersehbar sei. Keiner der Jugendlichen habe mit seinem damaligen Wissen und seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten voraussehen müssen, dass die Kerzen die Kunststoffpaloxen unter den gegebenen Umständen tatsächlich entzünden könnten. Die Berufungskläger wären deshalb auch unter dem Gesichtspunkt der Voraussehbarkeit freizusprechen.

Obergerichtsentscheid vom 10. Mai 2022, SBR.2021.56
Der Entscheid ist rechtskräftig.

Thomas Soliva, Medienstelle des Thurgauer Obergerichts

Promenadenstrasse 12A
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