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Medienmitteilung des Thurgauer Obergerichts

Unterbruch der Berufungsverhandlung im Fall «Kümmertshausen»

Nach dem ersten Verhandlungsblock im September 2021, in dem es um Vorfragen ging, entschied das Obergericht über die Zulässigkeit der Anklageschriften, die Verwertbarkeit von Telefon- und Audioüberwachungen sowie die Einstellung von Verfahrensteilen. Ferner äusserte es sich zum weiteren Vorgehen und hielt fest, die Berufungsverhandlung könne erst ab März 2022 fortgeführt werden.

Das Obergericht stellte in dem über 90 Seiten umfassenden Zwischenentscheid fest, die Anklageschrift bezüglich einzelner Beschuldigter und Sachverhalte verletze teilweise den Anklagegrundsatz. Hingegen entschied es bezüglich eines Beschuldigten im Zusammenhang mit dem Tod eines Rentners (eventualvorsätzliche Tötung und Raub), die von der Staatsanwaltschaft im Berufungsverfahren geänderte beziehungsweise ergänzte Anklageschrift sei zulässig. Ebenso wies das Obergericht die von einzelnen Angeklagten beantragten Einstellungen von Verfahrensteilen einstweilen ab.

Fehlende Verzeichnisse von Audio- und Telefonüberwachungen
Protokolle von Audioaufnahmen (Wanzen in Fahrzeugen) und Telefonüberwachungen (TK) seien - so das Obergericht - nicht verwertbar, wenn die übersetzende Person nicht erkennbar sei, oder wenn sie ohne rechtshilfeweise Genehmigung im Ausland entstanden seien. Die Verteidigungen könnten zwar nachvollziehen, wann welche Überwachungsmassnahme aufgrund welcher Rechtsgrundlage gegen einen Beschuldigten vollzogen worden sei; der Antrag auf Erstellung eines sogenannten «Logbuches» über diese Massnahmen werde daher abgewiesen. Es fehle aber eine Übersicht oder ein Protokoll über alle zu den Akten genommenen Gespräche. Es sei zumindest auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Protokolle in die Strafakten aufgenommen worden seien. Das Gericht und die Verteidigungen könnten sich bei dieser Ausgangslage keinen Überblick über den Aktenbestand verschaffen. Die Rohdaten (sämtliche Gesprächsaufzeichnungen) der Audio- und TK-Protokolle seien ebenfalls nicht aktenmässig erschlossen; es gebe kein Verzeichnis dieser Ursprungsdateien. «Somit ist weder mit verhältnismässigem Aufwand möglich, die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Selektion der Gesprächsinhalte nachzuvollziehen, noch kann die Verteidigung wirksam nach entlastendem Material suchen.» Erforderlich sei ein Verzeichnis der effektiv bei den Akten liegenden Gesprächsprotokolle sowie ein weiteres Verzeichnis der Rohdaten. «Solange diese Verzeichnisse nicht vorliegen, sind die Audio- und TK-Protokolle nicht rechtsgenüglich erschlossen und folglich nicht verwertbar.» Das Obergericht werde deshalb ein Verzeichnis über alle Rohdaten der aufgezeichneten Telefon- und Audiogespräche erstellen. Die Staatsanwaltschaft habe bis Ende Januar 2022 ein Verzeichnis über alle in die Strafakten aufgenommenen Protokolle der abgehörten Telefon- und Audiogespräche auszufertigen. 

Verhandlungsunterbruch bis Ende Februar 2022
Die Parteien warfen anlässlich des ersten Verhandlungsblocks eine Vielzahl weiterer (vor Vorinstanz teilweise nicht thematisierter) Vorfragen auf, insbesondere betreffend die Verwertbarkeit verschiedener Beweismittel. Das Obergericht wird die nicht verwertbaren Beweismittel sowie allfällige nicht verwertbare Folgebeweise bezeichnen und den Aktenbestand bis Ende Januar 2022 entsprechend bereinigen. Bis dahin liegen auch die von der Staatsanwaltschaft zu erstellenden Verzeichnisse vor. Dies führt dazu, dass die angesetzten Verhandlungstermine bis und mit Februar 2022 abgesetzt werden müssen; die Berufungsverhandlung wird gemäss derzeitiger Planung im März 2022 weitergeführt. 

Obergerichtsentscheid vom 8. Oktober 2021, SBR.2019.43
Der Entscheid ist nicht rechtskräftig.

Thomas Soliva, Medienstelle des Thurgauer Obergerichts

Promenadenstrasse 12A
8500 Frauenfeld
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